Shelly Pfefferman (Judith Light) ist eine der dramatischsten Figuren bei Transparent./ Foto: Prime Video |
Was sind Eure Lieblings-Serien? Das haben wir die Kolleginnen im Journalistinnenbund gefragt. Die Antworten waren durchaus überraschend. Wir haben daraus zwei Jahre nach dem ersten Artikel im Watch-Salon über "TV-Serien für die Feministin" eine neue, dieses Mal vierteilige Staffel von "TV-Serien für die Feministin" entwickelt. Auch 2019 empfehlen wir wieder Produktionen mit überzeugenden weiblichen Hauptfiguren. Damit wir Episode für Episode genießen können, ohne uns über sexistische Klischees zu ärgern.
jb-Serien-Staffel #4: Transparent | Orange is the New Black | Queer Eye
Transparent: Sexuelle Orientierung in vielen Facetten
Im Mittelpunkt steht die jüdische Familie Pfefferman in Los Angeles. Der frisch emeritierte Politikprofessor Mort, seine Ex-Frau Shelly, sowie die drei erwachsenen Kinder Ali, Sarah und Josh. Die Serie beginnt damit, dass Mort sich gegenüber seiner Familie als transsexuell outet und ab sofort Maura sein wird. Daneben stehen auch die Biographien der restlichen Familie im Fokus mit all ihren Neurosen, Sehnsüchten und Problemen.
Hin und wieder gibt es Rückblicke auf die Familiengeschichte, die im Dritten Reich vor den Nazis fliehen musste. Mauras Tante war ebenfalls transsexuell, hatte sich damals aber geweigert, das Land zu verlassen, was seine Schwester, Mauras Mutter, und - möglicherweise auch als "vererbtes Trauma" - Teile der Familie noch heute belastet.
Es gibt einen sehr offenen, klischeearmen und supersensiblen Umgang mit diversen Bereichen sexueller Identität und Orientierung und natürlich, was das Thema Transsexualität angeht. Im Laufe der Serie variieren auch die beiden Töchter Ali und Sarah in ihrer Sexualität. Besonders Ali, die jüngste, sensibelste und reflektierteste der drei Kinder, macht diverse Prozesse durch. Sie entwickelt sich zur überzeugten Feministin und studiert Genderstudies, experimentiert sexuell mit (Trans)Männern sowie Frauen jeden Alters, in der vierten Staffel gibt es Andeutungen, dass sie sich auch als non-binär definieren wird.
Die ältere Schwester und zweifache Mutter Sarah verlässt zunächst ihren Mann für ihre (lesbische) Jugendliebe, macht Ausflüge in die SM-Szene und endet schließlich wieder in ihrer Ehe, die sie "offen" gestaltet; zeitweise sogar in einer harmonischen Dreierbeziehung mit einer Frau ...
Es gibt extrem viel zu lachen - machmal auch zu weinen. Die Serie ist sehr liberal und sexpositiv, wenn es Klischees gibt, dann mit viel Selbstironie und Augenzwinkern: Es findet zum Beispiel ein feministisches Hippie-Frauencamp statt, in dem "Schwänze" streng verboten sind und die Frauen den Mond ansingen. Das ist dann der "Feminismus", an dem auch Maura an ihre Grenzen stößt.
Die Bildsprache und der Soundtrack sind wunderschön. Außerdem bekommt frau Einblicke in jüdische Traditionen und jüdische Geschichte. Es wird in der Serie wahnsinnig viel gegessen, nicht nur zu jüdischen Feiertagen.
Orange is the New Black: Im amerikanischen Frauenknast
Es ist eine brilliant erzählte und sehr unterhaltsame Milieustudie aus einem amerikanischen Frauengefängnis. Ausgangspunkt ist der Haftantritt der weißen, mittelständischen Mittdreißigerin Piper Chapman, die nach einem Drogendelikt fünfzehn Monate ins Gefängnis muss. Für die sehr kluge und wohlbehütete Frau tut sich zunächst ein Abgrund auf. Im Laufe der Zeit wird sie aber immer mehr zum Teil der Gefängnisgemeinschaft, trifft dort wieder auf ihre ehemalige Komplizin und große Liebe Alex und wird am Ende sogar Anführerin eines Gefängnisaufstandes im Kampf gegen Rassismus und menschenunwürdige Behandlung.
Dramaturgischer Kniff sind die diversen Rückblenden auf die einzelnen Biographien der Protagonistinnen, welche ihre jeweiligen Entwicklungen und Persönlichkeiten detailliert beleuchten und uns verstehen lassen, warum es so weit kam, dass sie zu Recht oder auch zu Unrecht im Gefängnis sitzen.
"Orange is the New Black" besteht mit Bravour den Bechdel Test: na klar, wir sind im Frauenknast, es spielen fast nur Frauen mit, die sich auch meistens nicht über Männer unterhalten und auch selbst, jede für sich, starke Akteurinnen sind. Sexuelle Vielfalt spielt eine große Rolle: Hetero-Bi-Homo-Transbiographien stehen gleichberechtigt und ganz unvoyeuristisch nebeneinander. Die Solidarität unter den Frauen ist Dreh- und Angelpunkt der Serie - auch, wenn sich zwischenzeitlich ethnische Banden oder Communities bilden. Am Ende stehen sie zusammen. Darüber hinaus "politisch wertvoll" ist die Tatsache, dass sehr sensibel und authentisch Sexismus- und vor allem Rassismuserfahrungen von nicht-weißen Frauen dargestellt werden, was dem amerikanischen Justizsystem und der hiesigen Gesellschaft den Spiegel vorhält.
Möglicherweise werden die ein- oder anderen Klischees bedient - die Weißen sind altklug und prüde, die Schwarzen cool und lustig, die Latinas temperamentvoll und eitel - doch Produzentin Jenji Leslie Kohan weiß nur allzu gut, wie frau diese auch wieder bricht. Wer keine Hollywood-Produktionen mag, für die ist diese Serie sicher nichts. Für alle anderen könnten die bisher sechs Staffeln kinoreifer Bild- und Erzählkunst zum Suchtfaktor werden. Auch, wenn die Thematik dramatisch ist, gibt es wenig derart unterhaltsame Serien auf dem Markt.
Mit der sechsten Staffel ging "Orange is the New Black" zu Ende, zu sehen auf Netflix. Von "Transparent" gibt es bisher vier Staffeln auf Amazon Prime, nach der fünften soll Schluss sein. Wegen der Vorwürfe sexueller Belästigung am Set ist der bisherige Hauptdarsteller Jeffrey Tambour dann nicht mehr dabei.
Eva Gutensohn
Queer Eye: Macht das Leben schöner
Zeit für Serien habe ich nur, wenn ich krank bin. Und die beste Medizin ist "Queer Eye". Fünf schwule Männer treffen in jeder Folge eine Person, deren Leben sie schöner machen.
Dabei ist "Queer Eye" keine klassische Makeover-Show. Keine Showtreppe, kein "Mit zehn Kilo weniger war Maries Leben plötzlich so viel leichter". Die "Fab Five", wie sie sich selbst nennen, wollen die Menschen, die sie treffen, nicht verändern. Sie lassen sie, wie sie sind – sie zeigen ihnen lediglich, wie schön sie sind und, noch wichtiger: wie wertvoll. Dabei zuzusehen, tut gut. Auch, weil alle Mitwirkenden offen sind. Offen, Verletzungen zu zeigen, Brüche in Biographien und Schmerz. Dabei wird nicht das ach so schwere Schicksal dargestellt, sondern immer der liebevolle Blick auf das Leben mit allen Facetten. Wenn ich krank bin, schaue ich "Queer Eye" auf Netflix – und dann bin ich wieder gesund.
"Queer Eye" bei Netflix - gestartet 2018, bisher drei Staffeln - ist eine Neuauflage der TV-Serie "Queer Eye for the Straight Guy".
Mareice Kaiser
Stay tuned ...
"Serien für die Feministin": Alle Staffelempfehlungen nachlesen
jb-Serien-Staffel #1: Fleabag, Killing Eve, Sex Education und Druck
jb-Serien-Staffel #2: The Handmaid's Tale| Salz. Fett. Säure. Hitze. | Grace und Frankie
jb-Serien-Staffel #3: Star Trek: Discovery
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