Mittwoch, 10. April 2019

Serien für die Feministin #1

Phoebe Waller-Bridge stolpert als "Fleabag" von einem Desaster zum nächsten. / Foto: Prime Video


Was sind Eure Lieblings-Serien? Das haben wir die Kolleginnen im Journalistinnenbund gefragt. Die Antworten waren durchaus überraschend. Wir haben daraus zwei Jahre nach dem ersten Artikel im Watch-Salon über "TV-Serien für die Feministin" eine neue, dieses Mal vierteilige Staffel von "TV-Serien für die Feministin" entwickelt. Auch 2019 empfehlen wir wieder Produktionen mit überzeugenden weiblichen Hauptfiguren. Damit wir Episode für Episode genießen können, ohne uns über sexistische Klischees zu ärgern.

jb-Serien-Staffel #1: Fleabag, Killing Eve, Sex Education und Druck




Fleabag: Die schräge Rebellin


"Fleabag" könnte man mit "Miststück" übersetzen. Und ein solches ist die Titelheldin. In dieser Serie geht es um Sex, Liebe und Beziehungen. Phoebe Waller-Bridge hat nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern spielt auch die wunderbar schräge, rebellische, witzige, zynische, leidende und beleidigende Hauptfigur. Ihre Beziehung geht aus banalen Gründen in die Binsen, ihr kleines Café ist fast pleite, sie ist fies zu ihrer Schwester und zur neuen Frau ihres Vaters. Die Serie beginnt sehr lustig, aber in ihrem Verlauf weicht die Komik immer mehr der Tragik. Die Hauptfiguren werden immer vielschichtiger, ziehen uns gleichzeitig an und stossen uns ab.

In Großbritannien hat die Serie einen Hype ausgelöst. Offenbar erkennen sich viele Frauen in Fleabag wieder. Sie macht es uns leicht, sich mit ihr zu identifizieren, denn sie spricht uns direkt an. Sogar beim Sex schaut sie in die Kamera und erzählt uns, was ihr gerade durch den Kopf geht.

Was anfangs seltsam wirkt, erhöht das Suchtpotential der Serie. Schnell halten wir Fleabag für eine von uns. Auch weil sie alles andere als eine Vorzeige-Feministin ist. Als in einer Frauenrunde gefragt wird, wer für den perfekten Körper fünf Lebensjahre eintauschen würde, hebt sie die Hand und sagt zu ihrer Schwester: "Wir sind schlechte Feministinnen". Fleabag interessiert sich nicht für Bücher, Ideen oder Politik, sondern in erster Linie dafür, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Damit eignet sie sich nicht besonders gut als Vorbild. Sie sei eine "gierige, perverse, selbstsüchtige, abgestumpfte, zynische, verkommene, moralisch bankrotte Frau" sagt sie über sich selbst. Das ist dann wieder so maßlos übertrieben, dass frau sie gleich in die Arme nehmen möchte.


Killing Eve: Psycho-Thriller vom Feinsten


Phoebe Waller-Bridge hat auch das Drehbuch zu "Killing Eve" geschrieben. Ein mitreißender Thriller, in dem zwei Frauen aufeinander treffen: Eve, gespielt von Sandra Oh, ist eine brilliante, aber unterforderte Geheimdienst-Mitarbeiterin. Ihre Gegnerin, gespielt von Jodie Comer, ist die psychopathische Auftragskillerin Villanelle. Die beiden betreiben ein Katz-und-Maus-Spiel und nicht immer ist klar, wer die Katze und wer die Maus ist.


Auge in Auge: Villanelle und Eve. Wer bedroht hier wen? / Foto: STARZPLAY

Dabei kommen sich die beiden näher als gedacht. Die Figur der mordlustigen Lesbe mag aus feministischer Sicht problematisch sein. Andererseits: Bislang waren die Rollen der eiskalten Auftragsmörder den Männern vorbehalten. Phoebe Waller-Bridge sagte dazu in der BBC, die Zuschauer*innen hätten die ewige Mär von der Opferrolle satt: "Frauen zu sehen, die gewalttätig sind, ist im Gegensatz dazu ganz erfrischend".

Villanelle, Eve und Fleabag sind auf jeden Fall interessante, vielschichtige und überraschende Persönlichkeiten. Das macht Killing Eve wie auch Fleabag so spannend. Beide Serien sind Koproduktionen von BBC und Amazon Prime.

Tina Stadlmayer


Sex Education: Sexpositiv und feministisch


Den Serien-Empfehlungen meiner Kinder folge ich mit Vorsicht, denn ist man erst einmal gefangen, geht viel Zeit vor dem Fernseher drauf. Ab und an kann ich die Begeisterung meines Sohnes, 20 Jahre alt, und seiner 22-jährigen Schwester auch nicht so recht teilen. Bei der von und für Netflix produzierten Serie „Sex Education“ aber finde ich es sehr schade, dass die erste Staffel nur acht Folgen hat und die zweite frühestens 2020 zu sehen sein wird. Und das, obwohl ich nicht einmal zur Zielgruppe zähle.




Die Geschichte um den verklemmten 16-jährigen Otis, der von seinem Schwarm, der Klassenkameradin Maeve, als Sex-Therapeut an die Mitschüler*innnen vermittelt wird, ist Aufklärungsunterricht der coolen Art. Die Serie schreckt nicht vor den harten Fragen wie übergriffige Eltern, Abtreibung, Mobbing und Homophobie zurück. Aber alle Beteiligten, vom Drehbuch über die Regie bis zum Schauspielteam, behandeln diese mit leichter Hand und so vorurteilsfrei und lösungsorientiert, dass Jugendliche, egal wie desorientiert sie in der Hochphase ihrer Pubertät gerade sein mögen, kaum darüber depressiv werden.

Die Serienschöpferin Laurie Nunn erklärt im Interview mit Thrillist, dass ihre sexpositive, feministische Einstellung bei der Schaffung der Charaktere und der Behandlung der Themen mit eingeflossen sei, ebenso wie Erinnerungen aller beteiligten Autor*innen an die peinlichsten Erfahrungen ihrer eigenen Jugend. Kongenial und mutig umgesetzt von einem fabelhaften jungen Ensemble ist die Serie mit 40 Millionen zugeschalteten Haushalten zurecht eine der erfolgreichsten Netflix-Eigenproduktionen.

Eva Hehemann


Druck: realistischer Alltagswahnsinn


Weniger um sexuelle Aufklärung als um das Erlernen der Liebesbeziehung als solches geht es in der deutschen Serie "Druck", die bei Funk auf YouTube und ZDF neo läuft. Viele Erwachsene kennen Funk nicht, und das ist auch so gewollt. Denn die Zielgruppe, Jugendliche und junge Erwachsene, meiden das übliche Fernsehprogramm. Sie tummeln sich auf YouTube und Instagram und genau da stoßen sie auf Funk, das junge Programm der Öffentlich-rechtlichen. Ich bin nicht nur professionell neugierig, ich habe auch eine Tochter im Alter der Zielgruppe und deshalb schaue ich gelegentlich rein. „Druck“ habe ich – ganz klassisch – Folge um Folge verschlungen, als ich mit einer leichten Grippe auf dem Sofa lag. Und war sehr angetan. Es ist eben nicht „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. Die Funk-Serie hat mehr Tiefgang und ist – soweit ich das überhaupt beurteilen kann – ziemlich nah dran am Leben der jungen Leute. Die erste Staffel hatte den FoKus auf eine Gruppe Mädchen, in der aktuellen zweiten Staffel geht es mehr um Jungen. Ich habe mich jedenfalls an meine ersten Liebesschmerzen erinnert und lag bei Staffel 1 Folge 4 oder so mit Tränen in den Augen auf dem Sofa. Ach naja, das muss das Fieber gewesen sein.

Christine Olderdissen

Stay tuned ... 

"Serien für die Feministin"-Staffelfolgen #2, #3 und #4:
Freitag 12.4., Mittwoch, 17.4. und Freitag 19.4.

jb-Serien-Staffel #2: The Handmaid's Tale| Salz. Fett. Säure. Hitze. | Grace und Frankie  
jb-Serien-Staffel #3: Star Trek: Discovery
jb-Serien-Staffel #4: Transparent, Orange is the New Black, Queer Eye

5 Kommentare

  1. Hey, Ihr macht mir ganz schön Druck. Wann soll ich das denn bloß alles anschauen? Ich bin schließlich noch eine echte Zeitungsleserin. Ich muss abends probieren, das Gucken einer der Serien gleichzeitig mit dem Rest-Lesen hinzukriegen. Amazon Prime werde ich auf keinen Fall abonnieren. Ein bisschen Haltung muss ja noch sein. Amazon-Boykott.

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  2. Schön, danke für die tollen Tips! Beim letzten Mal habe ich sklavisch alle Empfehlungen befolgt und war höchst angetan! :D

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  3. Hallo,
    es wäre nicht schlecht, den Hintergrund zu den beiden erstgen. Serien zu ergänzen. FLEABAG basiert auf dem gleichnamigen Stand Up Comedy Programm von Phoebe Waller-Bridge um diese Figur, was auch die direkte Ansprache des Publikums erklärt (ähnlich wie bei der Serie MIRANDA von Miranda Hart) und KILLING EVE basiert auf den Thriller "Codename Villanelle" von Luke Jennings, der die Figuren schuf.
    (als ich gerade auf Vorschau klickte verschwand der Kommentar komplett und ich musste ihn neu eingeben?)

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    1. Christine OlderdissenDonnerstag, 11 April, 2019

      Danke für die Infos! Ist doch toll, dass jemand wie du so viel Hintergrundwissen hat, mehr als die gewöhnliche Serienguckerin, aus deren bequemer Couchposition wir hier mal schreiben. Und das mit dem Absturz der Vorschau ist echt ärgerlich. Das ist ein Bug bei Blogger, fürchte ich ...

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