Ein Sternchen macht Karriere – auch im Watch-Salon? / Foto: Christine Olderdissen |
Der Watch-Salon setzt sich ein für Frauen in Journalismus und Gesellschaft. Wie halten wir es mit der sprachlichen Gerechtigkeit? Nun, sagen wir: vielfältig. Jede macht es so, wie sie mag. Doppelnennung, Binnen-I. Die Tendenz geht vermutlich zum Sternchen – gefühlt, ohne Überprüfung. Wir haben da tatsächlich mal drüber gesprochen und es jeder Autorin freigestellt – so wie wir auch sonst wenig Sprachregelungen haben. Wie geht es uns damit hier und anderswo im Job und im Leben?
Angelika Knop
“Frauen zu nennen, ist ein Akt der Erinnerung, der Ergänzung.”
Zum ersten Mal fiel es mir auf, als ich vor einiger Zeit mein Interview mit Barbara Rohm von Pro Quote Film verschriftlichte: Ganz selbstverständlich benutzte sie immer beide Formen – männlich und weiblich, also „Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen“, „Freiberufler und Freiberuflerinnen“ und so fort. Und ich hatte es im Gespräch nicht bemerkt, sondern erst, als es da Schwarz auf Weiß vor mir stand. So konsequent hatte das noch keine Interviewpartner*in getan. Und aufgefallen war es mir vermutlich nicht, weil es ihr so flüssig von den Lippen kam.
Ich gebe mir auch Mühe, Frauen zu nennen, wenn ich öffentlich spreche, bei Moderationen oder Lehraufträgen. Es passiert aber (noch nicht?) automatisch. Ich spüre da eine winzige Pause in mir und kann mir vorstellen, dass sie auch hörbar ist. Es ist ein Akt der Erinnerung, der Ergänzung. Wenn ich nur oder fast nur Frauen vor mir sitzen habe, schwenke ich manchmal ganz um auf die weibliche Form, entweder weil ich eben von ihnen rede – und wenn nicht, dann lässt sich das Sternchen ja denken oder anwesende Männer können sich eben mitgemeint fühlen. Die männliche Form steckt in der Regel in der weiblichen mit drin – umgekehrt eben nicht.
Wenn ich schreibe, vor allem für den Watch-Salon oder Mails, tendiere ich zum Binnen-I oder seit einiger Zeit eher zum Sternchen, weil es eben mehr als zwei Geschlechter gibt. Verfasse ich Texte für Auftraggeber - und natürlich Auftraggeberinnen, fällt die doppelte Form oft meiner inneren Zensorin zum Opfer, um Zeichen zu sparen im Print, weil ich es doch nicht so lesefreundlich finde oder weil es vermutlich ohnehin rausredigiert würde. Und mit Sternchen etc. brauche ich gar nicht anzufangen. Als Freie kann ich solche Schreibweisen nicht im Alleingang einführen. Ich habe aber, ehrlich gesagt, auch noch nicht dafür geworben oder gekämpft. Manchmal nutze ich das Partizip (Studierende, Lehrende) oder eben die weibliche Form, wenn es überwiegend um Frauen geht.
Sichtbarkeit in der Sprache ist wichtig, aber wichtiger ist es mir, tatsächlich Interviewpartnerinnen zu finden, Protagonistinnen zu porträtieren. Und wenn wir darüber diskutieren, ob es doch lieber ein Unterstrich sein soll, oder …. und ob wir nicht alle Identitäten sichtbar machen müssten (Trans, Queer und vielleicht demnächst auf Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Herkunft?), fange ich doch an zu überlegen, ob Sprache wirklich alles leisten kann.
Natürlich sollten wir deutlich machen, dass eben nicht nur Männer die Welt regieren oder Brände löschen. Das geht aber vielleicht kreativer – da bin ich gespannt auf die Tipps und Beispiele von Genderleicht. Und irgendwann, möglichst bald, können wir hoffentlich Berufe, Rollen und Positionen einfach neutral betrachten. Dann reden wir eben darüber, dass MENSCHEN im Journalismus oder in der Medizin, bei der Müllabfuhr, wo auch immer, etwas tun. Und ich hätte auch nichts gegen eine neue Form, die weder weiblich noch männlich ist.
Sprache hat sich immer entwickelt. Wenn wir schon Anglizismen locker integrieren, Genitiv durch Dativ ersetzen, dann bekommen wir auch das mit dem Gendern hin. Wir reden heute ja bekanntlich nicht mehr wie Martin Luther oder Katharina von Bora. Oder sollte ich sagen: Katharina von Bora und Martin Luther? Denn bei der Doppelnennung muss ich ja auch darauf achten, wen ich zuerst nenne. Upps, es ist kompliziert. Ich gebe mir Mühe – aber ich mag das nicht verbissen sehen.
Tina Stadlmayer
“Es ist wichtig, alle Gender vorkommen zu lassen.”
Als ich 1986 bei der taz anfing, fand ich das Binnen-I revolutionär und wendete es konsequent an - dachte ich die ganze Zeit. Jetzt habe ich mir mal ein paar alte Artikel von mir durchgelesen, und: Pustekuchen, ganz oft habe ich nur die männliche Form verwendet. Warum eigentlich? Vermutlich, weil es einfacher war und viele Artikel unter Zeitdruck entstanden sind (keine Entschuldigung!). Später, beim Spiegel und bei der Financial Times Deutschland, habe ich dann versucht gendergerecht zu schreiben. Was ich ohne Hilfe des Binnen-I’s (das natürlich verpönt war) ganz schön schwierig fand. Ich habe aber als politische Journalistin immer mehr über Frauen berichtet, als über Männer. Ganz einfach, weil ich sie interessanter fand und es leichter war, einen Draht aufzubauen. Da im Politik-Journalismus die Berichte über Männer dominieren, habe ich kein Problem damit, bevorzugt über Frauen zu schreiben.
Heute benutze ich das Gender-Sternchen, weil ich weiß, wie wichtig es ist, nicht nur Frauen und Männer, sondern alle Gender vorkommen zu lassen. Deshalb hat es mich sehr irritiert, dass sich die Linguistin Luise F. Pusch gegen das Gender-Sternchen ausgesprochen hat, mit der Begründung, es “es zerstört eine gewachsene feministische Lösung dieses Problems: das große I.” Ich kann diese Begründung nicht nachvollziehen. Puschs Vorschlag, statt des Binnen-I’s ein Ausrufezeichen zu verwenden, gefällt mir nicht. Sie hat sich damit auch nicht durchgesetzt.
Ich finde es auf der anderen Seite wunderbar, dass im Englischen fast alle Begriffe geschlechtsneutral sind und es keine unterschiedlichen Artikel gibt. Der britische Journalistinnenbund heißt “Women in Journalism”, was etwas sperriger ist als der deutsche Titel. Dafür bezeichnen sich die Journalistinnen selbstverständlich, wie ihr männlichen Kollegen, als “journalists”.
Ich fand es übrigens seltsam, dass Alice Schwarzer 2005 Wert darauf legte, vom medium magazin zum “Journalist des Jahres” gekürt worden zu sein, und nicht zur “Journalistin des Jahres”. Merkwürdig, oder?
Eva Hehemann
“Im Deutschen ist es schwieriger für Frauen sichtbar zu sein.”
Ich richte mich für den Watch-Salon danach, dass es gewünscht ist zu gendern; für den Blog macht das ja auch Sinn. Aber ansonsten gebe ich mir damit nicht wirklich Mühe. Im Deutschen ist es schwieriger für Frauen sichtbar zu sein als in anderen Sprachen, führt leichter zu Verrenkungen der Ausdrucksweise. Wenn es übertrieben wird, finde ich es eine Zumutung. Luise F. Pusch geht mit ihren Forderungen zu weit, meine ich. Die Engländerinnen haben es gut gelöst: Berufsbezeichnungen werden generell nicht gegendert. "I am not an actress but an actor, doctor, writer, builder." Das ist natürlich viel einfacher.
Christine Olderdissen
“Ich möchte die Schönheit der deutschen Sprache erhalten.”
Wir haben uns im Watch-Salon nie wirklich über geschlechtergerechte Sprache ausgetauscht. Als ich zum Jahreswechsel 2017/18 die Vorrecherche für das Genderprojekt des jb geleitet habe, habe ich Euch Salonistas zwar ein paar Hinweise gegeben, aber mehr nicht. Und beim gegenseitigen Redigieren schauen wir, dass die Texte korrekt sind.
Durch die Arbeit zur Erstellung der Website von genderleicht.de bin ich natürlich viel tiefer ins Thema eingetaucht. Jedes Wort muss sitzen. Ich selbst setze das Gendersternchen nur sehr sparsam ein. Politisch finde ich es richtig, in der Sprache alle Geschlechter sichtbar zu machen. Aber ich halte es mit Hengameh Yaghoobifarah und Anatol Stefanowitsch, die es kritisch sehen, an alle weiblichen Bezeichnungen einfach ein Sternchen ranzuklatschen.
Ich versuche, geschlechtsneutral zu schreiben, oft mit den Wörtern Menschen, Leute und Personen. Oder ich schreibe erst gar nicht von Personen, sondern beschreibe Tätigkeiten, was übrigens auf genderleicht.de unser zentraler Tipp ist. Dann wieder werde ich konkret, schreibe über Frauen oder Männer oder so, wie die Person selbst bezeichnet werden möchte. Ich nehme aber auch Beidnennungen wie Journalistinnen und Journalisten, oder ich nutze gebräuchliche Partizipien wie Medienschaffende, Anwesende oder Vorstandsvorsitzende.
Das Wort Studierende hat für mich, wie für die meisten, das Wort Studenten inzwischen abgelöst. Neuschöpfungen dieser Art aber missfallen mir oft, ich möchte schließlich die Schönheit der deutschen Sprache erhalten. Vielleicht gewöhne ich mich auch an Neues, Sprache ist flexibel, wir alle gestalten sie. Vor ein paar Tagen sah ich im Berliner Straßenbild eine digitale Verkehrsanzeige, die Polizei hatte gegendert: “Nehmen Sie Rücksicht auf Radfahrende.”
Mareice Kaiser
„Wir brauchen eine zeitgemäße und inklusive Sprache“
Wenn wir Menschen mit unserer Sprache einschließen können, warum sollten wir sie ausschließen?
Schreiben, was ist. Was ich sehe, was ich beobachte, was ich höre. Als Journalistin möchte ich schreiben, was ist – und zwar so präzise wie möglich. Gendern macht das möglich. Das Gendersternchen ist mein Werkzeug, so präzise wie möglich zu schreiben. „Sprache kann die Welt verändern“, da bin ich ganz bei Lann Hornscheid. Nutzen wir die Möglichkeiten der Sprache – auch, um sichtbar zu machen, was viel zu lange unsichtbar war: Menschen, abseits der geschlechtlichen Binarität; Menschen, abseits der Heteronormativität.
Ich freue mich auf die Zukunft der Sprache, die noch kommen wird mit Begriffen, die wir noch gar nicht kennen. Damit wir uns immer präziser ausdrücken, immer mehr Unsichtbares sichtbar machen und weiter schreiben können, was ist. Über und mit allen Menschen unserer Gesellschaft.
Eine kreative Gender-Idee hat meine 6-jährige Tochter durchgesetzt: Sie nennt den deutschen Astronauten konsequent Alexandra Gerst. Gut, dass sie weiß, dass Mädchen alles (werden) können. Auch dafür braucht es eine zeitgemäße und inklusive Sprache.
* * *
Am 28.6. geht www.genderleicht.de bei einer Fachtagung zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch online. Das vom Journalistinnenbund initiierte Projekt will Medienschaffenden Impulse und Hilfestellung zu einer gendersensiblen Arbeitsweise geben - beim diskriminierungsfreien Sprechen und Schreiben wie auch bei der Bildgestaltung.
Wir werden alle dazulernen, auch beim Podiumsgespräch mit interessanten Menschen aus der Wissenschaft, den Medien und der Politik, sowie in den Workshops der Fachtagung des Journalistinnenbunds in Berlin. Vielleicht geben wir uns hier im Watch-Salon doch demnächst eine Sprachregelung. Wir werden sehen.
Oh, wie wunderbar. So viele Herangehensweisen und Umgangsweisen, so ein differenziertes Umgehen mit Sprache. Das regt auch mich als alte Gender-Frau an! Und ich finde es sehr bereichernd und überhaupt nicht verbissen - wie der Vorwurf ja immer lautet. Liebe Grüße Elke Amberg
AntwortenLöschenIch ertappe mich immer wieder, dass mir ein "man sollte", "man könnte" rausrutscht in Schrift, vor allem aber beim Sprechen. Ich kann andererseits nicht immer stattdessen "frau" setzen, aber auch nicht von einem "ich" sprechen. Da warte ich noch auf eine elegante Lösung. Vieles ist mir selbstverständlich geworden: Die Nennung beider Geschlechter,oder auch beim Schreiben das Gendersternchen. Bei mir ist alles möglich. Trotzdem passieret es mir aber auch das ich in einer PM von "Konzertbesuchern" schreibe. Hab' mich total geärgert, konnte es aber leider nicht mehr rückgängig machen. Schlimmer noch als die sprachliche Nichtsichbarmachung finde ich das Nichtvorhandensein anderer Geschlechter, anderer Hautfarben, Menschen mit Behinderung in journalistischen Beiträgen aller Medienformen. Jetzt gerade sichte ich Beiträge für den "lorry" Journalistenpreis (sic!) Ruhr - erschreckend.Es gibt echt viel zu tun!
AntwortenLöschenAch ja, das "man" - beim Sprechen sind wir so schnell und zack, ist es wieder da. Wenn ich es merke, setze ich den Satz nochmal an mit "ich". Es kommt doch auch immer darauf an, mit wem ich rede. Ob ich mich konzentriere oder einfach so daherquatsche. Rein privat bin ich nachlässiger. Jahrzehntelange Sprechgewohnheit prägt.
LöschenDank des Artikels habe ich nun zum ersten Mal von dem Vorschlag gehört, anstelle des Binnen-I’s ein Ausrufezeichen zu verwenden. Ein ungewöhnlicher Vorschlag (und in meinen Augen eine gruselige Vorstellung). Ich bevorzuge die geschlechtsneutrale Formulierung, da sie fast immer einfach anzuwenden und gut leserlich ist.
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