von Tina Stadlmayer
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Ob Print, Audio oder Video - jede Menge interessante Beiträge von Kolleginnen zur Pandemie / Foto: Stadlmayer |
Das Wort „Corona“ können wir eigentlich nicht mehr hören. Und dann erregen doch wieder spannende Berichte von Kolleginnen unser Interesse: Darüber, was die Pandemie so anrichtet, wie andere Ländern damit umgehen. Welche Auswirkungen sie auf Frauen hat, auf die Familien. Deshalb hatten wir im Forum des Journalistinnenbundes dazu aufgerufen, uns gelungene Berichte und Reportagen zu Sars-CoV-2 und den Folgen zu nennen. Artikel, Radiobeiträge und Videos von Journalistinnen - für den weiblichen Blick auf die Krise. Wir finden, dass gerade folgende Kolleginnen einen besonders guten Job machen:
ARBEIT
„Wenn der Job zur Gefahr wird“ - Jennifer Stange und Nina Scholz über das COVID-19-Risiko am Arbeitsplatz
Aufhänger des Beitrages für den Deutschlandfunk sind die skandalösen
Arbeitsbedingungen in den Fleischfabriken. Die Autorinnen ziehen den Kreis dann weiter. Und in jedem Bereich sehen sie
vor allem die Frauen. Das Beispiel am Ende enthält alle wichtigen Aspekte: eine aus der Türkei stammende Putzfrau arbeitet in einem Klinikum. Sie ist fest angestellt und inzwischen im
Personalrat. Das Gros der Putzfrauen arbeitet aber für geringeren Lohn
bei einer Tochterfirma des Klinikums. Sie haben durch die erhöhten
Desinfektionspflichten noch mehr Arbeit und Angst vor Infektion in
einer Klinik: Wenn der Job zur Gefahr wird
Weitere Kolleginnen zum Thema:
In der Mediathek des Deutschlandfunks
findet sich eine Serie zum Thema „Alltag einer
Pandemie“. Zum Beispiel der Beitrag von Katrin Heise: Keine Lobby für die Pflege
Caterina Lobenstein war für Die Zeit mit einem Arzt unterwegs, der die Armen versorgt: Pandemie, ganz unten
Empfohlen von Inge von Bönninghausen
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WISSENSCHAFT
Wissenschaftsjournalistin Jane Qiu portraitiert die Virenforscherin Shi Zhengli aus Wuhan. Ihre Kollegin Mai Thi Nguyen-Kim ist mit maiLab super erfolgreich:
Jane Qiu hat für den Scientific American ein Porträt der chinesischen Fledermaus- und Virenforscherin Shi Zhengli geschrieben. Deren Forschung zielt eigentlich darauf ab, die Übertragung gefährlicher Viren von Fledermäusen auf Menschen zu verhindern. Shi Zhengli hatte 2013 die Fledermaushöhle identifiziert, von der aus SARS vermutlich zunächst auf Zibetkatzen, dann auf Menschen übergesprungen ist. Durch den Ausbruch des neuen Coronavirus in Wuhan - dem Ort, in dem sie forscht - gerät die Wissenschaftlerin in die Schlagzeilen. Und muss sich tagelang Sorgen machen, ihr eigenes Labor könnte Ursprung der neuen Seuche sein. Als sie das durch Genom-Untersuchungen ausschließen kann, sei ihr „ein Stein vom Herzen gefallen“, sagt Shi Zhengli. Auf Deutsch ist das Portrait im Spektrum-Verlag erschienen: Die Frau, die Coronaviren jagt
Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim produziert ihren Video-Kanal maiLab für funk, das Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Gerade aus der Babypause zurück, schockte sie die Republik am 2. April mit einem Video: „Corona geht gerade erst los“. Bis heute ist es auf Youtube mehr als 6 Millionen mal aufgerufen worden. Dabei mag nicht jeder und schon gar nicht jede ihren knallharten, etwas hochnäsig-nerdigen Auftritt. Aber sie hat uns alle auf harte Zeiten vorbereitet. Keine Frage: In der Rangliste Deutschlands führender Wissenschaftsjournalist*innen ist Mai dabei, den guten Ranga zu überholen. Hier eines ihrer ersten Videos zum Lockdown. In diesem Stil machte die schlaue Chemikerin weiter. Verglich am 19. April Deutschlands führende Virologen unter der Überschrift „What?“, nicht nur hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Verdienste, sondern vor allem in ihrem Umgang mit der Öffentlichkeit. Zwischendurch noch ein Kommentar in denTagesthemen zur Frage der Herdenimmunität. Und gestern, 28. Mai, ein cooler Auftritt in der neuen Carolin-Kebekus-Show.
Empfohlen von Judith Rauch
Nicola Kurth spricht mit Expert*innen über Misstrauenskommunikation
Nicola Kuhrt hat sich auf die Spur von Falschnachrichten zu Covid 19 begeben und Svenja Boberg und Thorsten Quandt vom Zentrum zur Erforschung digitalisierter Öffentlichkeiten in Münster interviewt: Die Misstrauenskommunikation funktioniert. Die Medizinjournalistin und Gründerin des Portals Medwatch ist im Vorstand der Wissenschaftspressekonferenz und hat den "Corona-Krisenstammtisch“ mitgegründet, eine sinnvolle Koordination zum Austausch von Informationen. An den Videokonferenzen nehmen bis zu 30 Fachjournalist*innen teil, berichtet Nicola Kuhrt dem Medienjournalisten Daniel Bouhs in der taz: Pressearbeit in der Krise
Empfohlen von Christine Oderdissen
NDR-Redakteurin Korinna Henning, Macherin des NDR-Podcasts "Coronavirus Umdate" und Vanessa Wormer, Datenjournalistin bei der SZ, plädieren für lange, erklärende Beiträge
Sie moderiert und organisiert den erfolgreichen NDR-Podcast „Coronavirus-Update“. Darin unterhält sie sich mehrmals in der Woche abwechselnd mit ihrer Kollegin Anja Martini mit dem Virologen Christian Drosten. Während ihres Auftritts bei einem Workshop der Medientage München sagte Korinna Henning: „Die Hörer*innen mögen es kompliziert“. 80 Prozent blieben dran, auch wenn der Podcast fast eine Stunde dauere.
Auf dem Workshop trat eine weitere erfolgreiche Corona-Erklärerin auf: Vanessa Wormer ist Teamleiterin Daten und digitale Investigation bei der Süddeutschen Zeitung und zeigte bei den #MTMDigitalks, wie die SZ mit Hilfe von Datenjournalismus die Entwicklung der Pandemie darstellt. Sie sagt: „Die Leser*innen wertschätzen lange, erklärende Stücke“.
Das ist doch mal ein positiver Trend, nachdem wir jahrelang befürchteten, die Aufmerksamkeitsspanne von Hörer*innen und Leser*innen
werde immer kürzer.
Weitere Beiträge zum Thema:Ein Interview von Carolina Schwarz mit der Aktivistin Caroline Criado-Perez in der taz: Die Datenlücke tötet Frauen.
Ärztin und Moderatorin Julia Fischer erläutert auf rbb24.de medizinische Fakten zum Thema Corona.
Empfohlen von Tina Stadlmayer
AUSLAND
Simone Schlindwein und Julia Neumann berichten für die taz aus Afrika und aus dem Libanon
Mit einer Reportage von Simone Schlindwein, hat die taz relativ früh den Blick geweitet und auf afrikanische Länder gerichtet: COVID 19 in Afrika. Seither hat Simone Schlindwein weitere Berichte in der taz veröffentlicht, die immer den Blick über den deutschen Corona-Tellerrand ermöglicht haben. Jb-Mentee Julia Neumann berichtet aus dem Libanon über die Pandemie: Corona in Lagern rund um Syrien
Empfohlen von Sigrun Rottmann
Das Netzwerk Deine Korrespondentin rückt Frauen ins Blickfeld
Zum Beispiel der Podcast von Marietta Steinhart. In "Die USA, Trump und das Biest" erzählt sie von den Auswirkungen des Coronavirus in den USA. Empfehlenswert auch die Berichte von Deine Korrespondentin aus Sizilien, die Reportage aus Irland sowie der Bericht aus dem Iran und die Reportage aus Peru.
SZ-Korrespondentin Cathrin Kahlweit berichtet aus Großbritannien
In "Englands heimliche Heldin" schreibt sie über die ehemalige Krankenschwester und heutige Regierungsberaterin Ruth May. "Die Geschlagenen" ist ein einfühlsamer Bericht von Cathrin Kahlweit über häusliche Gewalt in Corona-Zeiten.
Empfohlen von Tina Stadlmayer
FAMILIEN, FRAUEN, FEMINISMUS
Mareice Kaiser, Chefredakteurin von EDITION F, und ihr Team starteten #CoronaEltern
Die Redakteurinnen und Autorinnen des Onlinemagazins waren Vorreiterinnen dabei, die ungleiche Verteilung der Care-Arbeit unter die Lupe zu nehmen und zu erklären, Warum die Corona-Krise ein feministisches Thema ist und dennoch Frauen in der Krise gerade nicht gefragt sind. Sehr eindrucksvoll, wie unsere ehemalige Mitbloggerin und JB-Kollegin Mareice Kaiser hier einfach auflistet, was Frauen gerade alles leisten, um dann gebetsmühlenartig zu wiederholen: "Aber gefragt sind gerade Männer". Schöner kann die Absurdität der gesellschaftlichen Realität gar nicht bewusst gemacht werden. Und sie hat die wissenschaftliche Erkenntnis der gerade veröffentlichten malisa-Studie zur eklatanten Dominanz männlicher Experten schon vorweg genommen. Außerdem hat sie den Hashtag #CoronaEltern gestartet und auch über die Initiative #CoronaElternrechnenab berichtet Andere Medien griffen das auf, zum Beispiel der WDR in einem Podcast und wir natürlich auch: Homeshooling und Homeoffice.
Gabriele Knetsch deckt für den Bayerischen Rundfunk soziale Ungleichheit auf
Die freie Journalistin lässt in der Radioreportage von Bayern 2 Betroffene zu Wort kommen und sieht genau hin, wie unterschiedlich doch die harten Regeln manche Gruppen treffen: Einsam in der Krise - Wie Alleinerziehende die Corona-Zeit erleben - und Benachteiligt durch Homeschooling: Wie Corona die soziale Ungleichheit fördert.
Empfohlen von Angelika Knop
TRAUER
Friederike Gräff schreibt über Trauer in Corona-Zeiten
Friederike Gräffs Essay hat sehr viel mit der Stimmung zu tun, die vermutlich nicht nur mich erfasst hat, als wir die ersten Särge aus den Kliniken Italiens gesehen haben - als wir von Menschen lasen, die einsam, ohne ihre Nächsten an Corona verstorben sind und ohne Trauerfeier begraben wurden. „Wieviel Trauer ist erlaubt?“ erschienen am 23. April in der ZEIT, behandelt das Thema auf vielen verschiedenen Ebenen, konkreten, wie philosophischen, beschreibt die Ambivalenz des Gefühls Traurigkeit, in Zeiten, wie der Corona Krise, wie in jenen, die wir zeitlos nennen könnten. Sie spannt einen großen Bogen und bleibt doch sehr nah an dem, was real jetzt und hier ist. Ein toller Text.
Empfohlen von Dana Savic
Weitere Empfehlungen (Kultur und Medien):
Karin Ceballos Betancur schreibt bei Zeit ONLINE über ein bolivianisches Orchester, das in Brandenburg festsitzt: In Schloßquarantäne.
Paris-Korrespondentin Tina Zimmermann berichtet in einen Gespräch auf DLF Kultur über die traurigen Auswirkungen von Corona auf die Pariser Weltmusikszene und auf die französische Buch- und Verlagsszene.
Diemut Roether diskutiert für den Evangelischen Pressedienst mit dem Moderator Gert Scobel darüber. wie die Medien berichten und was sie aus der Krise lernen könnten: Die Realität ist komplexer.
Danke für diese anregende Zusammenstellung über die vielfältige, aufschlussreiche, niveauvolle Berichterstattung von Journalistinnen.
AntwortenLöschenKleine Korrektur: Den grandiosen Hashtag #CoronaEltern hat Mareice Kaiser erfunden. Den ebenso genialen aber anderen Hashtag #CoronaElternRechnenAb und damit verbundene Rechnungsaktion stammt aber von den drei Journalistinnen und Bloggerinnen Karin Hartmann, Rona Duwe und Sonja Lehnert.
AntwortenLöschenVielen Dank für den Hinweis. Das war auch nicht unsere Absicht, das so darzustellen. Wir haben das anders formuliert und hoffen, dass es nun klar wird.
LöschenEine tolle Idee, transparent zu machen, wie vielseitig und tiefgründig Journalistinnen in der Corona-Krise berichtet haben. Wer hat schon damit gerechnet, dass ein neues Virus selbst prosperierende Gesellschaften dermaßen aus dem Gleichgewicht bringen können. Nun sind wir schlauer und erfahren täglich, wer welche Lasten zu tragen hat.
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