Montag, 22. Dezember 2008

Die vernachlässigte Form: Das Interview

Kommunikations-Grafik von Per Thomas, junger Künstler aus Bremen.


Das Interview ist vor allem in den Printmedien eine vernachlässigte Darstellungsform - so das Fazit von Michael Haller, Journalistik-Professor an der Universität Leipzig. Seine Untersuchungen haben gezeigt, dass die Leser unzufrieden sind. Es gibt zu viele schlechte Interviews, aufgemacht mit uninspirierten Einstiegsfragen, ein Geschwafel über Gott und die Welt, ein unerträgliches Sich-Anbiedern oder das Gegenüber Nebelbomben bis zu völligen Verdunklung abwerfen lassen. Höchste Zeit also, einer der wichtigsten Darstellungsformen eine ganze Fachtagung zu widmen.
Die fand Ende November in Berlin statt und war vom Netzwerk Recherche organisiert. Nicht nur wegen der Referenten und Referentinnen - darunter Anne Will, Maybrit Illner, Peter Merseburger oder Jörg Thadeusz - war die Tagung hochkarätig besetzt. Auch wegen des Inputs. Konzentrierte drei Tage referierten, diskutierten und reflektierten rund 40 Teilnehmer in der Evangelischen Medienakademie über die Kunst des Interviews, über die Relevanz journalistischer Interviews und über verschiedene Interviewstile.

Ob Recherche- und Hintergrundinterview, Expertenbefragung, Personality-Interview oder Polittalkshow - so verschieden wie die jeweilige Gesprächssituation oder das Infoziel sind auch die Stile und handwerklichen Regeln, die es zu beachten gilt. Immer gülitg sind aber folgende Regeln:



  1. Professionelle Interviews sind die Erfolgsgaranten für alle journalistischen Produkte.

  2. Eine perfekte und penible Vorbereitung ist dabei unerlässlich, aber auch Spontanität, Einfühlungsvermögen und Humor sind auf der Seite des Interviewers wichtig.

  3. Die Gesprächssituation sollte angenehm sein, auch wenn der Gesprächspartner kritisch in die Mangel genommen wird.
    Es geht eben nicht nur immer um die bloße Information, sondern auch darum, wie sie kommuniziert wird: Körpersprache, Zwischentöne - alles das sollten gute Interviewer auch mit Überraschungen und unkonventionellen Ideen herauskitzeln.
    Ziel darf nicht die eigene Darstellung sein, aber eben auch nicht das Anbiedern des Interviewten - sondern der klare Informations-, Unterhaltungs- und damit auch Lustgewinn.

„Die Journalisten müssen das Fragen wieder lernen!”, fordert Michael Haller.


Fragen lernen, Fragen stellen, Fragen zulassen - aber fair bleiben. Einig waren sich fast alle Experten, dass die Autorisierungspraxis der Qualitätssteigerung zuträglich ist. Und wenn der Interviewpartner tatsächlich ganze Passagen schwärzt, kann man sich auch immer noch trauen, ein Interview eben nicht zu publizieren!

Übrigens: Frauen haben in den meisten Interviewsituationen einen leichten Vorteil - sei es durch die geschlechtsspezifische Sozialisation, dass sie mit nonverbaler Kommunikation besser umgehen können, als auch durch ihre Rolle als Frau. Wer erst unterschätzt wird und dann mit sehr guter Vorbereitung glänzt, kann meist auch den größten Kommunikationsprofi knacken.

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