Dienstag, 24. November 2015

Wer beherrscht die deutschen Nachrichten? Frauen- und Männer-Präsenz auf dem Prüfstand

Eine der weltweiten Frauengruppen beim Auswerten der News vom 25. März 2015, Foto: http://whomakesthenews.org/

Das sieht ja erst mal ganz gut aus. Nach den vierten, weltweiten Auszählungen des Global Media Monitoring zur Präsenz von Frauen in den Medien am Stichtag 25. März 2015 ist in Deutschland die Zahl der Frauen ganz ordentlich gestiegen - in den klassischen Medien von 21% auf 33%. Zählt man die neu hinzu gekommenen "online"-Ableger der Medien und Twitter dazu, sinkt der Anteil von Frauen allerdings wieder auf 28%. (Hintergründe zu dieser internationalen Aktion bei uns hier und hier). Unter diesen Prozentzahlen sind sowohl die Frauen, über die berichtet wurde, wie jene Frauen, die selbst berichten, zusammengefasst. Und da gibt es einen klaren Ausreißer nach oben: Die Zahl der Redakteurinnen im Fernsehstudio stieg auf 50% an, die der TV-Reporterinnen auf 46%. Das ist eine gute Entwicklung, die widerspiegelt, dass Frauen die besseren journalistischen Abschlüsse machen, andere Fragen stellen, oft auch sprachbegabter sind als Männer - in unserer multikulturellen Welt immer wichtiger.



Als Fachfrauen oder Beteiligte an einem Ereignis wurden Frauen häufiger als früher zitiert. Die Zunahme etwa bei politischen Themen dürfte auch mit dem Flugzeugabsturz in den Alpen zusammenhängen, der die Zählung am Stichtag nicht ganz repräsentativ machte (siehe dazu unseren oben verlinkten Bericht zu GMMP). Es gab viele Zitate von Kanzlerin Angela Merkel, NRW-Ministerin Hannelore Kraft und deren Schulministerin Sylvia Löhrmann.

Entwicklung der Präsenz von Frauen in den Medien am Stichtag 25. 3. 2015, Grafik: Journalistinnenbund

Den größten Sprung gab es neben Politik und Wirtschaft bei den Wissenschafts-Themen. Das lag u.a. an der Meldung, dass Johanna Wanka als Wissenschafts-Ministerin die Bedingungen für junge wissenschaftliche MitarbeiterInnen an den Unis verbessern wollte. Für eine bessere Übersicht wäre es gut, bei der nächsten weltweiten Zählung die einzelnen Wissenschaftsbereiche aufzufächern. Zumindest in der Medizin sind Frauen ja heute sehr präsent und werden auch häufiger zitiert.

Twitter mixt Nachrichten anders


Interessant sind meine eigenen Erfahrungen mit Twitter, das als Nachrichtenkanal zum erstenmal weltweit beobachtet wurde. Hier zeigt sich, dass über die Accounts der Medien über den Tag verteilt recht gemischt getwittert wird. News sind hier sowohl Klatsch wie soziale und knallharte Nachrichten, um eine bessere NutzerInnen-Bindung zu erreichen. Und in entsprechenden Zusammenhängen standen dann hier auch Frauen im Zentrum einer News:

- die schlechtere Bezahlung von Frauen am Beispiel der Verkäuferin Emmely
- Verhütung - Vor- und Nachteile des Ovula-Rings für Frauen
- Krebs I- Angelina Jolie lässt auch die Eierstöcke entfernen
- Krebs II - Venezuela hat kein Geld mehr für Brustkrebs-Patientinnen
- Amanda Knox - wird sie heute freigesprochen oder verurteilt?

Zwei Tweets befassten sich mit dem Ausbruch von Frauen aus dem üblichen Rollen-Klischee:
- der Protagonistin aus Anke Stellings Buch "Bodentiefe Fenster"
- der Schauspielerin Ellie Kemper in einer krassen Rolle in "Unbreakable Kimmy Schmidt".

Printmedien hinken bei der Beteiligung von Frauen weiter hinterher


Peinlich wenig hat sich in den langen Jahren unserer Medienbeobachtung bei den klassischen Print-Medien getan. Am Stichtag 2015 berichteten immer noch 69% Männer über das Weltgeschehen und nur 31% Frauen. Da Männer nach wie vor bevorzugt Männer zitieren, kommen die Zeitungen bei der Sichtbarmachung von Frauen immer noch zu wenig voran.

Ein anderes Phänomen in den Printmedien fiel auf: News über Frauen wurden zu 22% mit Frauen, News über Männer jedoch nur zu 15% mit Männern bebildert (!).

Wer hat in Deutschland beobachtet - welche Medien wurden beobachtet?


Weltweit haben sich in diesem Jahr Frauen aus 115 Ländern  an der Auswertung beteiligt. In Deutschland waren zwölf Kolleginnen aus dem Journalistinnenbund als Codiererinnen am Start. Beobachtet wurden vier Fernseh-Kanäle, drei Radio-Kanäle, sieben Tageszeitungen, fünf Internet- und acht Twitter-Medien. Die ausführliche Pressemeldung des Journalistinnenbundes gibt es hier.

Einen sehr fundierten Rückblick auf die Entstehung des Projekts der weltweiten Medien-Beobachtung und die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre hat Inge von Bönninghausen für den Deutschen Frauenrat geschrieben.

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