Die Vorsitzende des Journalistinnenbundes ist zur 63. Sitzung der UN-Frauenrechtskommission (CSW63) mit der deutschen NGO-Delegation nach New York geflogen. Exklusiv für den Watch-Salon schildert sie ihre Eindrücke. Dieser Text ist aus der Ferne entstanden, zurück in Deutschland, das im April den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates für 30 Tage übernimmt.
Ein Teil der deutschen Delegation bei der CSW63 - in der Mitte Rebecca Beerheide / Foto: privat |
Zurück aus New York, einige Tag nach meiner Heimreise: Es war ein gutes Gefühl, am 22. März spätnachts ein kurzes Video bei Twitter auf dem kleinen Smartphone-Bildschirm zu sehen: Der Applaus dafür, dass die Staaten den Abschlusserklärungen zugestimmt haben. Auf Fotos lagen sich alle Vertreterinnen am Ende in den Armen und freuten sich. Dass sich die Delegationen, die Diplomaten*innen und all die Unterhändler*innen wirklich auf ein Abschlussdokument einigen, da waren sich Vertreter*innen aus der deutschen Delegation kurz vor meiner Abreise noch sehr unsicher.
Wie so viele Konferenzteilnehmerinnen bin ich nicht die kompletten zwei Wochen bei der UN-Konferenz geblieben. Fast alle Delegationsteilnehmerinnen, ganz gleich, ob sie in der Regierungsdelegation, in der Delegation des Deutschen Frauenrates oder von UN-Women Deutschland dabei waren, zahlen ihre Reise aus dem eigenen Budget. Daher sind in der ersten Woche besonders viele Teilnehmerinnen auf dem UN-Gelände. Nach ihrer Abreise beginnt die Arbeit am bleibenden Ergebnis, die ich über die Sozialen Netzwerke und Medien verfolgt habe.
Ein Fahrplan für Frauenrechte
Die am 22. März verabschiedete Abschlusserklärung mit ihren 28 Seiten und 50 Punkten ist eine Handlungsempfehlung an die UN-Mitgliedsstaaten – nicht mehr. Aber es ist doch relativ viel in der internationalen Diplomatie. Wer das Dokument im Original liest oder ein paar Teile aus den Übersetzungen anschaut, wird sich über die aufwändige Sprache wundern. Das ist aber Alltag in der Diplomatie: Es braucht viele Worte, die gut klingen und dafür bestimmt sind, Reformen anzugehen und voran zu bringen, aber dennoch ohne einem Mitgliedsstaat auf die Füße zu treten. Das Abschlussdokument soll ein politisches Zeichen sein: Mit diesen 50 Punkten wird der Fahrplan („roadmap“) vorgegeben, wie der weltweit gleiche Standard für Frauenrechte, aber auch der Zugang zu Sozialen Sicherungssystemen sein sollte.
Das Dokument stellt auch sicher, dass künftig weiter zu Frauen- und Mädchenrechten auf diesem Level gearbeitet wird. 2019 beschäftigte sich die CSW hauptsächlich mit den sozialen Sicherungssystemen von Staaten und damit, wie Frauen und Mädchen hier einen sicheren und permanenten Zugang bekommen. Diese 50 verabschiedeten Punkte sollen auch dazu beitragen, dass die 2016 vereinbarten 17 Ziele für die nachhaltige Entwicklung (Sustainable Delelopemnt Goals) bis 2030 erreicht werden können.
Keine Sparfaktor und keine Straflosigkeit
Zu den wichtigsten Punkten im Abschlussdokument der CSW gehören beispielsweise die Investition in soziale Sicherungssysteme, öffentliche Dienstleistungen und nachhaltige Infrastruktur. Es soll auch abgesichert sein, dass dieser verbesserte Zugang nicht durch staatliche Sparpolitik verhindert oder verschlechtert wird. Das Thema Genderbudgeting sowie die Benachteiligung von Frauen und Arbeitnehmerinnen, beispielsweise bei internationalen Handelsverträgen, war Thema auf vielen Foren und Diskussionsveranstaltungen.
Weiterer Punkt ist die Aufforderung an die Staaten, in qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen zu investieren, die bezahlbar und geschlechtergerecht sind. Staaten sollen ebenso herausfinden, was Frauen und Mädchen davon abhält, öffentliche Dienstleistungen zu nutzen. Hindernisse können hier beispielsweise sein, dass es unüberwindbare Entfernungen zu den Einrichtungen gibt. Oder es fehlt an Informationen, dass es diese Einrichtungen und staatlichen Hilfen gibt. Diese Hindernisse müssen abgebaut werden, heißt es in dem Dokument.
Zu den Forderungen zählt auch, dass Staaten anerkennen, dass die, die unbezahlte Sorge- und Hausarbeit leisten, unabhängig von ihrem Alter einen Zugang zum Sozialschutz bekommen, speziell in Fällen von Krankheit und Rente. Ebenso sollen Staaten die umfassende und gleiche Teilhabe von Frauen fördern. Dazu gehört auch, dass Frauenrechtsorganisationen bei den politischen Dialogen und Entscheidungsprozessen einbezogen werden
Bei Verkehrsprojekten sollen Planungen an den verschiedenen Bedürfnissen von Frauen und Männern, älteren Menschen, sowie Personen mit Behinderungen ausgerichtet sein. Staaten sollen darauf achten, dass der Verkehr nachhaltig, zugänglich, erschwinglich, sicher und geschlechtergerecht ist
In dem Abschlussdokument wird auch die vielfach vorhandene Straflosigkeit für Akte der Gewalt an Frauen verurteilt und darauf hingewiesen, dass Staaten dafür zu sorgen haben, diese strukturelle und historische Benachteiligung beim Schutz vor Gewalt abzubauen.
Es muss sich etwas bewegen
Mehr als zwei Wochen nach der Rückkehr aus der UN-Welt an der First Avenue und aus New York, dieser Glitzerstadt mit all ihren Widersprüchen und Gegensätzen, bleibt weiter die Frage im Ohr, die schon im zweiten Beitrag dieser Serie gestellt wurde: Wann endlich passiert etwas? Die Zeit ist abgelaufen, nur wann wird endlich gehandelt? Es fehlt – und zwar weltweit! – nicht an Erkenntnissen: Daten, Studien, Erlebnisberichte, Fakten liegen vor. Frauen müssen mit an die Verhandlungstische. Politik muss sich ändern und wo sie dies nicht freiwillig tut, müssen offenbar noch bessere Daten her, um Nachteile zu beweisen oder noch faktenreicher diskutieren zu können. Ein ewiger Kreislauf, der offenbar nicht leicht zu durchbrechen ist.
Politisch ist es sicherlich ein großes Zeichen, dass so viele Frauen in diesem Jahr Interesse an der Konferenz hatten und diese weiterhin von den hochrangigen UN-Vertretern geführt wird. Unvergesslich sicherlich der UN-Generalsekretär Antonio Guterres, wie er sagte, er sei ein stolzer Feminist und forderte „push back the pushback“. Das ist einer der wichtigsten Arbeitsaufträge, den alle Teilnehmerinnen mit nach Hause in ihre Arbeit vor Ort nehmen werden.
Zuhörer*innen bei der CSW63 / Foto: Rebecca Beerheide |
Über die 63. Frauenrechtskonferenz /
63rd Session of the Commission on the Status of Women (CSW)
Bei der 63. CSW kamen zwischen dem 11. und 22. März über 9.000 Frauen (und einige Männer) aus allen UN-Mitgliedsstaten zusammen, darunter Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, UN-Vertretungen sowie Vertreterinnen von Nicht-Regierungsorganisationen, die einen Beobachterstatus beim ECOSOC, dem Wirtschafts- und Sozialrat der UN, haben.
Das diesjährige Hauptthema (priority theme) lautete: „Social protection systems, access to public services and sustainable infrastructure for gender equality and the empowerment of women and girls“. Am Ende gab es eine Resolution, die an die UN-Gremien weitergereicht und im besten Fall von den UN-Mitgliedstaaten in eigene Projekte und auch Gesetze umgesetzt wird. Bei der CSW wird auch jedesmal erneut über ein Thema berichtet, das bei einer vorherigen Konferenz bereits diskutiert wurde. 2019 wurde die Konferenz von 2016 „reviewed“. Damals ging es um „Women’s empowerment and the link to sustainable development“.
Neben Treffen auf ministerieller Ebene sowie mit den UN-Verantwortlichen gab es unzählige Veranstaltungen von Frauengruppen, Vereinigungen oder Staaten, auf denen die Themen der Konferenz aus der jeweils eigenen Perspektive diskutiert werden sollen und können.
Mehr Informationen: http://www.unwomen.org/en/csw/csw63-2019
Twitter: #CSW63 #CSW2019 #CSW63_GER
Rebecca Beerheides vorhergehende Berichte aus New York nachlesen:
Push back the pushback
Von Schwestern, Daten und dem Platz am Tisch
Unsere Gastautorin
Rebecca Beerheide / Foto: V. Schilde |
Im Berufsleben ist sie Ressortleiterin der Politischen Redaktion beim Deutschen Ärzteblatt in Berlin. Sie studierte Diplom-Journalistik und Politikwissenschaften in Leipzig und Ljubljana. Sie ist außerdem Mit-Herausgeberin des Buches „100 Jahre Frauenwahlrecht - viel erreicht, wie weiter?“, das im Juni 2017 erscheinen ist.
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