Mittwoch, 27. November 2019

Salonschnipsel: "Zeit der Geheimnisse" - Nordseeweihnacht, Familiengeschichte, Frauenschicksale

von Angelika Knop

Sonja (Christiane Paul) und ihre Töchter Vivi (Svenja Jung) und Lara (Leonie Benesch) / Foto: Nik Konietzny/Netflix
Der gute alte TV-Mehrteiler an Weihnachten ist zurück - nur neu verpackt auf Netflix, als dreiteilige Mini-Serie. "Zeit der Geheimnisse" zeigt, wie sich die Frauen einer Familie - von der Urgroßmutter bis zu den Enkelinnen - lieben, aneinander leiden und alles dadurch schlimmer machen, indem sie sich nicht die Wahrheit sagen. Männer spielen mit, aber im Drehbuch eine Nebenrolle. Und beim Binge-Watching ist es wie mit dem Weihnachtsessen - sehr lecker, aber vielleicht hätte es doch etwas weniger sein können.




"Wir essen, wir trinken, wir machen uns gegenseitig was vor", Musikerin Vivi bringt es auf den Punkt, als sie über Weihnachten in ihrer Familie erzählt - und darum ist der Satz sicher auch im Trailer gelandet. Er trifft vermutlich auf viele Familien zu, aber auf diese eben ganz besonders, weil jede der vier Frauen, die zu diesem Fest noch zusammenkommen, ein Geheimnis hat, das die anderen eigentlich nicht wissen sollen - und jede Menge Probleme: Die Schwestern Vivi (Svenja Jung) und Lara (Leonie Benesch), ihre Mutter Sonja (Christiane Paul) und Großmutter Eva (Corinna Harfouch). In Rückblenden spielt auch noch die eigenwillige und demente Urgroßmutter Alma einen wichtigen Part.

Diese Rückblenden erzählen von früheren Weihnachtsfesten in der Familie 1989, 2004 - und zeigen, wie die deutsche Geschichte diese Frauen geprägt hat. Geschickt zerstückelt und verknüpft die Serie die Erzählung, indem sie immer vor- und zurückspringt. Visuell ist das gut gemacht und im Stile innovativer US- oder UK-Serien-Erzählweisen - aber nicht erst nach drei Glas Punsch auch reichlich verwirrend. Denn die jüngere Version der Protagonistinnen wird meist von anderen Schauspielerinnen dargestellt. Ich habe mich da leicht verheddert und gebe den Tipp: Gleich zu Anfang ganz genau auf die Namen achten!

Da die Folgen kaum 40 Minuten lang sind, ergeben sie in Serie geguckt doch nur einen Zwei-Stunden-Film, den allein die wunderbaren Schauspielerinnen zum Erlebnis machen. Er hat die Faszination, dass uns vieles bekannt vorkommt - von unseren Großmüttern, Müttern oder uns selbst. Die Frauencharaktere sind sehr glaubwürdig, die Dialoge wie aus dem Leben. Vielleicht liegt es auch daran, dass Drehbuchautorin und Showrunnerin Katharina Eyssen sowie Regisseurin Samira Radsi ebenfalls auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen haben. Ansonsten ist der Plot durch die Zeitsprünge zwar spannend, aber am Ende doch nicht so stark, die ein oder andere Wendung oder Auflösung sogar ein bisschen enttäuschend. Und es gibt natürlich einige Homecoming-Movies aus den USA (zu Thanksgiving oder Weihnachten), die hier Patin standen. Auch ein bisschen Geisterhaus von Isabel Allende steckt drin: mehrere Frauengenerationen, die mit einem Haus verknüpft sind. Aber das kam zumindest mir erst nach dem Schauen, vorher habe ich gebannt alle drei Folgen durchgeguckt und die großartige schauspielerische Leistung genossen und die herrliche Szenerie mit dem pittoresken Reetdach-Haus an der einsamen Nordseeküste.

Wer kein Netflix hat - das kostenlose Probeabo kann man nach den Festtagen ja wieder kündigen :-)

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