Freitag, 6. März 2020

Equalista, baby!

von Gastautorin Ann-Kathrin Canjé


Auf der Suche nach Geld für ihre Gleichberechtigungs-App:  Theresa Kauffeld und Louisa Wiethold stellen Equalista bei der FemGems Live Show* vor, Februar 2020 / Foto: Equalista GmbH

Spielerisch lernen, was Gleichberechtigung wirklich bedeutet: Das wollen die Gründerinnen der App Equalista, Theresa Kauffeld und Louisa Wiethold, möglich machen. Die Schwestern, 32 und 26 Jahre alt, stammen aus Eutin, haben beide ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert und sich für ihr Herzensprojekt selbstständig gemacht. Zum Internationalen Frauentag 2020 starten sie dafür ihr Crowdfunding.

Ann-Kathrin Canjé hat mit ihnen über die Beweggründe zur App und die Idee dahinter gesprochen.


Im Internet gibt es doch schon alles. Was haben Nutzer*innen von Equalista?


Theresa Kauffeld:   Equalista ist eine Lernapp für das Thema Gleichberechtigung. Hier lernt man Wörter, die nicht so ganz geläufig sind oder wo man nur vages Wissen hat. Zum Beispiel zum Thema Marginalisierung, Misogynie oder Sexismus – Was heißt das eigentlich ganz genau? Und was ist der Unterschied von ambivalentem Sexismus und subtilem Sexismus? Ich glaube, da können wir alle noch ganz viel lernen.

Wir kombinieren das in der App. Sie bietet uns Möglichkeiten, das ganz interaktiv zu machen. Also nicht nur Begriffe und Definitionen zu lesen, sondern sie spielerisch zu erlernen. Außerdem gibt es in der App Praxisbeispiele und Tipps, wie man auf bestimmte Situationen reagieren kann.

Louisa Wiethold:  Das Ziel ist auch, dass wir die Struktur erklären. Beispielsweise: Was ist eigentliche strukturelle Diskriminierung und was können wir daran ändern? Die Themen sollten eben nicht nur individuell betrachtet, sondern das System dahinter verstanden werden – dann hat man auch einen anderen Startpunkt als vorher.

Theresa Kauffeld:  Wir versuchen außerdem einen umfassenden Einblick zu dem Thema zu geben. Also dass zum Beispiel jemand, der aus der soziologischen Richtung kommt, auch den naturwissenschaftlichen Ansatz zu manchen Fragen erklärt bekommt. Es ist gut, die Argumente der anderen zu kennen und Antworten darauf zu haben. Wir möchten absolute Einsteiger*innen erreichen und auch Leute, die sich schon mit dem Thema befasst haben. Auch die können dazu lernen.

Wie läuft das ab?


Theresa Kauffeld:  Man muss sich Equalista so vorstellen wie eine Sprachapp, etwa Duolingo, bei der man unterschiedliche Wörter lernt. Gamification heißt ja praktisch nur, dass man Spielelemente nutzt. In unserem Fall bedeutet das, Lückentexte oder Karteikarten zu nutzen. Für richtige Antworten sammelt man Punkte. Für falsche Antworten bekommt man keine, aber wir nutzen das als Info für uns. Dann wissen wir, dass wir das Wort mit der User*in nochmal üben müssen, um sicherzustellen, dass es auch richtig verstanden wird. Kurz gesagt: Es geht nicht darum, besser als jemand anders im Spielkontext zu sein, sondern sich Wissen anzueignen.

Wie seid ihr auf die Idee zu Equalista gekommen?


Theresa Kauffeld:  Das war meine Idee. Bei mir war das eine sehr persönliche Erfahrung, weil mir in einer Job-Evaluierung gesagt wurde: „Es ist alles super, aber Du musst mehr lächeln.“ Das war so der Moment, als ich angefangen habe, alles zum Thema „Gleichberechtigung“ zu lesen. Ich habe viel recherchiert, bin zu dieser unangenehmen Person geworden, die überall rumgelaufen ist und gesagt hat: „Weißt Du eigentlich?“ und habe dabei gemerkt, dass die Leute in meinem Umfeld ganz wenig darüber wissen. Sie wissen vielleicht zu einem Phänomen wie Gender-Pay-Gap viel, aber zu anderen Themen nicht. Obwohl es so entscheidend für unser Leben ist und zwar für alle Bereiche von Arbeit über Beziehung bis hin zu Familie. Es kann nicht sein, dass wir nicht wissen, was abgeht.

Und wieso dann die Idee zur App?


Theresa Kauffeld:  Als ich 2017 angefangen habe, zu recherchieren, habe ich mich plötzlich gefühlt wie in einer Zeit vor dem Internet. Ich habe hauptsächlich Bücher gelesen, auch wenn es online zum Thema Aufklärung tolle Informationsquellen wie Blogs und Instagram gibt. Das waren aber Infos, die ich im Moment konsumiert und die ich, wenn ich darauf zurückgreifen wollte, nicht wiedergefunden habe. Oft wusste ich nicht, in welchem Artikel oder Blog ich das gelesen hatte, sodass das Wissen für mich nicht verfügbar war in dem Moment, in dem ich es brauchte. Somit kam ich zum Schluss: Was haben wir immer dabei? Unser Smartphone. Wie können wir effizient lernen? In jeder Minute. So ist die Idee zur Smartphone-App entstanden.

Plant ihr die App auch auf Deutsch und woher kommt die Idee, die App erstmal nur auf Englisch rauszubringen – wo wir im Deutschen ja doch stärkere Probleme beim Gendern haben als im Englischen?


Theresa Kauffeld + Louisa Wiethold /Foto: J. Lopez Ballonga
Louisa Wiethold:  Die erste Version ist erstmal auf Englisch und dann planen wir in der zweiten Generation gleich die Mehrsprachigkeit, also Spanisch, Französisch und Deutsch mit reinzunehmen. Aber wir wollen erstmal einen breiteren Markt abdecken, in dem wir mit Englisch anfangen.

Theresa Kauffeld:  Es geht eben nicht nur um Gendern in der Sprache, sondern auch um praktische Beispiele, Terminologien, die in vielen Sprachen ähnlich sind. Natürlich muss man dann die Übersetzung können, aber unsere Zielgruppe ist auch relativ jung von 18 - 45 Jahren und da wird ohnehin schon viel auf Englisch zu dem Thema konsumiert.

Die App richtet sich also auch gezielt an alle Geschlechter?


Theresa Kauffeld: Ja wir machen da keinen Unterschied zwischen Männern* und Frauen*, weil Studien ganz klar belegen, dass wir alle in einer sexistischen Gesellschaft aufwachsen und Sexismus internalisiert haben. Manche Studien zeigen, dass Frauen* andere Frauen* genauso oft unterbrechen, wie Männer*. Das sind also die Strukturen hinter Sexismus, die von Männern* und Frauen* genau gleich aufrechterhalten werden. Aber wir machen natürlich den Unterschied, dass Männer in Machtpositionen sind und dadurch auch größere Verantwortung haben.

Wofür benötigt ihr das Geld aus dem Crowdfunding?


Louisa Wiethold:  Wir benötigen die Summe von 50.000 Euro vor allem, um die Inhalte der App zu produzieren und den Zeitraum bis zu den ersten Einnahmen zu überbrücken. Bis jetzt wurde Equalista durch das Exist-Innovationsstipendium der
Bundesregierung gefördert und wir haben auch schon eine Anschlussfinanzierung, womit wir die Entwicklung der App finanzieren können.

* * *

Info:
Das Crowdfunding für Equalistaläuft über die internationale Plattform kickstarter.com - hier gibt es den
 Link zum CrowdfundingDie App wird spätestens am 1. Juni released und kann als Premiummodell für 5,99 im Monat oder 49,99 Euro im Jahr abonniert werden. Die App kann mit eingeschränkten Möglichkeiten auch kostenlos genutzt werden.


*) Bei der FemGems Live Show in Berlin, organisiert vom FemGems-Podcast, präsentieren Gründerinnen ihre inspirierenden Start Up Ideen. Die Veranstaltung mit Equalista ist als Podcast nachzuhören, ab 8.3.2020.



Unsere Gastautorin


Ann-Kathrin Canjé / Foto: MDR
Literatur, Film, Theater, Female Empowerment und inklusive und diskriminierungsfreie Sprache sind eine kleine Auswahl der Themen, die Ann-Kathrin Canjé in ihrer journalistischen Arbeit zu beleuchten versucht.

Aktuell volontiert sie beim Mitteldeutschen Rundfunk in Leipzig und hat davor beim Berliner Radiosender FluxFM in der Onlineredaktion gearbeitet. Studiert hat sie Kulturwissenschaften an der Universität Hildesheim sowie Angewandte Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin.



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