Henrike von Platens Buch, erschienen im Nicolaiverlag / Foto: Fair Pay Innovation Lab |
„Nicht die Frauen müssen sich ändern, sondern die Spielregeln“. Dieses Zitat der Harvard-Professorin Iris Bohnet steht auf Seite 66 – doch es gilt für das gesamte Buch: Henrike von Platen zeigt in „Über Geld spricht man", dass er existiert, "Der schnelle Weg zur Gleichstellung“. Dafür müssten allerdings viele Verantwortliche auch nach ihren Erkenntnissen, Beispielen und Vorschlägen handeln. Diesmal können wir am Equal-Pay-Day nicht auf die Straße gehen, um dafür zu demonstrieren. Lesen aber können wir das ebenso informative wie unterhaltende Buch auch daheim auf dem Sofa oder Balkon. Diwan statt Demo sozusagen.
Lohnlücke, Rentenlücke, Gender Pay Gap – klingt alles nicht gerade sexy. Doch Henrike von Platen, ehemalige Präsidentin der „Business and Professional Women Germany“ und damit Schirmherrin der Equal-Pay-Kampagne in Deutschland (2010-2016), gelingt es, das alles nachvollziehbar und leicht lesbar aufzubereiten. Zum Beispiel mit einer Bestandsaufnahme der „Welt der Dinosaurier“. Da kriegen Firmen und Institutionen ihr Fett weg, die Männer wie selbstverständlich bevorzugen, Müttern nach der Elternzeit kündigen und die Hälfte der Bevölkerung als "Minderheit" abtun. Und dass sich tatsächlich zahlreiche börsennotierte Unternehmen trauen, beim Frauenanteil in den Vorständen „Zielgröße Null“ anzugeben – darunter Zalando, XING, Fielmann – liest man immer wieder mit ungläubigem Erstaunen.
Und wer hätte das gewusst: Es gibt „Schmutzzulagen“ für Arbeiten mit dreckiger Bettwäsche – aber die bekommt der Fahrer, der sie wohlverpackt in die Wäscherei transportiert, nicht aber die Pflegerin, die die Wäsche eigenhändig wechselt. In hippen Jobs, beispielsweise in Werbeagenturen, kommt immer noch der am weitesten, der am längsten das Licht am Schreibtisch brennen lässt und nicht am frühen Abend nach Hause geht, um die Kinder ins Bett zu bringen. Und das sind in der Regel eher die Frauen, nicht die Männer.
Vorbilder und Beispiele
Aber: Es gibt sie, die positiven Gegenbeispiele. Nicht nur Startups, sondern auch Mittelständler nach dem Generationenwechsel an der Spitze setzen auf eine neue Art zu führen, bieten Home-Office statt Präsenzkultur, fördern und fordern Elternzeit bei Vätern. Die Veränderungen kommen nicht nur von oben, von Chefs und Chefinnen mit neuen Ideen und anderen Einstellungen, sondern auch von unten: von den jungen Beschäftigten, die dank des Fachkräftemangels in der Lage sind, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Chancengleichheit und selbstbestimmtes Arbeiten einzufordern. Auch Großkonzerne wie SAP, Adobe, IKEA oder VAUDE haben die Zeichen der Zeit erkannt.
Dennoch feiern sie noch fröhliche Feste, die Lohnlückenleugner. Da werden Statistiken „bereinigt“, als ob sich dadurch ungerechte Bezahlung auflösen ließe. Frauen sind selber schuld – so die hartnäckige Einstellung: Sie wählen die falschen, da schlecht bezahlten Berufe. Sie verhandeln nicht richtig, wenn es ums Geld geht. Sie arbeiten nur Teilzeit. Der größte „Risikofaktor“ für Frauenkarrieren: Sie kriegen auch noch Kinder!
Autorin Henrike von Platen und Moderatorin Sissi Pitzer bei der Buchvorstellung im Februar Foto: Fair Pay Innovation Lab |
Henrike von Platen, Wirtschaftsinformatikerin, Betriebswirtin und Unternehmensberaterin, nimmt diese Argumentationen genüsslich auseinander. Sie prangert auch die Wirkmacht von Klischees an: Karriere ist männlich, Fürsorge weiblich besetzt. Frau und Macht passt nicht zusammen – außer bei Bundeskanzlerin Merkel. Seit 1949 waren nur drei Prozent der beamteten Staatssekretäre in den bundesdeutschen Ministerien weiblich. Drei! Werbung ist nach wie vor voller Stereotype – was in Großbritannien übrigens inzwischen gesetzlich verboten ist und geahndet wird.
Sprache und Gender
Wie entlarvend Sprache sein kann, wissen wir als Journalistinnen besonders gut: Dass Frauen sich beim generischen Maskulinum nicht mitgemeint fühlen, darauf hat der jb mit dem Projekt „Genderleicht.de“ reagiert. Und warum gibt es die „Working Moms“, aber nicht die „Working Dads“, die noch dazu im Haushalt nur „helfen“ und ihren Frauen „die Kinder abnehmen“? Veränderung bringen nur andere Role-Models und Vorbilder – „ängstliche Drachen“ und „tapfere Prinzessinnen“, so von Platen. Und ausgedehnte Unconscious-Bias-Trainings auf den Führungsetagen und in den Personalabteilungen.
Transparenz ist das Zauberwort, das die ungleiche Arbeitswelt verändern kann. Dass wir über Geld nicht sprechen, uns über unsere Gehälter oder Honorare nicht austauschen – an diesem Tabu müssen wir rütteln. Junge Leute tun das schon – Arbeitgeber, die Einstiegsgehälter bzw. deren Bandbreite angeben, werden auf Jobportalen als attraktiv bewertet. Die Generation Y und Co. ist nicht mehr bereit, unterschiedliche Bezahlung von weiblich und männlich, jung und alt zu akzeptieren. Aus „New Work“, geprägt von Flexibilität, Selbstorganisation, Mitbestimmung, Teamarbeit, könnte so „New Pay“ werden, wobei die Sinnhaftigkeit der Arbeit, nicht der monetäre Gewinn im Vordergrund stehen.
Lohngerechtigkeit durch Transparenz sollte gefördert werden durch das Entgelt-Transparenz-Gesetz, das in Deutschland 2017 nach langem politischem Ringen eingeführt wurde. Doch der Effekt ist gering, solange es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt – ein Papiertiger, der aber nach Recherchen der Buchautorin durchaus indirekte Wirkung zeigt. Doch es könnte besser sein, und daran muss politisch gearbeitet werden durch Nachjustierung des Gesetzes.
Blick in die Welt
Verdienstvoll, dass von Platen mit dem Kapitel „Fair Pay around the World“ den Blick über den deutschen Tellerrand weitet. Erstaunlich, was sich in Frankreich oder Irland, in Estland oder in der Schweiz, in Australien, Kanada und dem Rest der Welt an Ideen, Aktionen, Gesetzen und Umsetzungen entdecken lässt. Und wer hätte gewusst, dass Gender Equality als Ziel Nummer 5 in den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen festgelegt wurde?
Kann man Fairness messen? ist eine weitere Frage, die das Buch beantworten will. Fair heißt nicht für alle gleich, es geht durchaus um unterschiedliche Leistung und daran anknüpfend unterschiedliche Entlohnung – aber die Unterschiede müssen begründbar sein. Weshalb die Autorin über „fair pay“ statt „equal pay“ spricht. Sie dröselt auch die unterschiedlichen Methoden auf, Entgeltstrukturen zu messen und anzupassen – einfach spannend zu lesen, aber auch anspruchsvoll, z.B. die Erläuterung des Comparable Worth Index. Dass Unternehmen erfolgreicher sind, wenn sie diverser sind – und das bezieht sich nicht nur aufs Geschlecht – ist ja fast schon eine Binse, die von Platen mit anschaulichen Beispielen aus der Unternehmenswelt belegt. Der Weg zu echter Diversity, bei der es auch um ethnische und soziale Herkunft, Bildung, Religion, Alter, Behinderung, Sexualität etc. geht, ist in Deutschland allerdings noch ein weiter, auch wenn hierzulande 2006 die „Charta der Vielfalt“ unterschrieben wurde.
Positiver Ausblick: Wir alle können etwas tun, um eine faire Zukunft zu erreichen. Mehr Transparenz und weniger Klischees sind für die Autorin die Schlüsselbegriffe. Über Geld und über Macht reden, Elternarbeit wirklich gerecht aufteilen, über unsere Konsumentscheidungen Einfluss ausüben auf Unternehmen, die diskriminieren. Am Schluss des Buches geben Checklisten – für Unternehmer*innen, Politiker*innen, Investor*innen und Stakeholder*innen, Beschäftigte, Eltern - uns allen den letzten Kick, Fair Pay zu unserem persönlichen Thema zu machen.
Verlosung
Wir verlosen zwei von Henrike von Platen signierte Exemplare des Buches "Über Geld spricht man. Der schnelle Weg zur Gleichberechtigung". So könnt Ihr mitmachen: Verbreitet den Link zu dieser Rezension auf Euren Social Media Kanälen und schickt uns bis Freitag, den 20. März, einen Screenshot davon an watchsalon(at)Journalistinnen.de oder als Direktnachricht über Twitter @WatchSalon. Das Los entscheidet. Wir melden uns dann, um nach der Lieferadresse zu fragen und schicken Euch das Buch zu. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.Über Geld spricht man
Henrike von Platen
Nicolai Verlag 2020
168 Seiten
ISBN 978-3-96476-031-9
Mehr dazu im Watch-Salon:
Zählen, messen, Haltung zeigen - der Weg zu fairer Bezahlung
Wenig Transparenz - keine Gleichheit. Eine Bilanz des Entgelttransparenzgesetzes
Ein Schlag ins Gesicht beim Recht auf gleiche Bezahlung für Frauen
Fair Pay ist die Zukunft
Entgeltgleichheit: Wir können Transparenz - eine Anleitung für Journalistinnen
Aufruhr in der BBC: Journalistinnen beweisen Gender Pay Gap
Kampagnenauftakt Equal Pay: Transparenz gewinnt?
Außerdem:
Die Pressemeldung des Journalistinnenbundes zum Urteil ZDF/Birte Meier
Dossier Equal Pay des DJV
Mindestens 21% Ungerechtigkeit - OXI
Unsere Gastautorin
Sissi Pitzer ist Medienredakteurin beim BR Hörfunk und aktive Netzwerkerin. Gemeinsam mit Kolleginnen vom jb und anderen Münchner Frauennetzwerken hat sie das Netzwerk Media Women Connect ins Leben gerufen. Es hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Frauenanteil auf den Podien der Medientage München in 2019 auf 36 Prozent gestiegen ist. Seit einigen Monaten arbeitet sie für den BR in Berlin.
Foto: Media Women Connect
Anregungen, Meinungen, Kritik
Da dieses Blog nicht mehr aktualisiert wird, ist die Kommentarfunktion geschlossen. Herzlichen Dank an alle, die uns ihre Anmerkungen und ihre Meinung mitgeteilt haben.
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.