von Judith Rauch
Vor 10 Tagen gab mir meine Kollegin, die bei bild der wissenschaft die Bücherseite verantwortet, ein Buch zu lesen - mit der Bitte, es zu rezensieren, weil das Thema so interessant sei. Es war Susan Pinkers "Das Geschlechterparadox. Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen", DVA, 2008. Ich schaute mir´s in der S-Bahn an und mailte noch am gleichen Abend zurück, dass ich das Buch nicht rezensieren möchte, weil es
- schlecht übersetzt ist
- nahezu ausschließlich dem nordamerikanischen Kulturkreis verhaftet
- eine Pseudo-Debatte führt (gegen Feministinnen, die angeblich Frauen in Männerberufe nötigen)
- und noch dazu wissenschaftlich fragwürdig daherkommt, weil es Äpfel mit Birnen vergleicht (männliche Spätstarter mit weiblichen Aussteigerinnen).
Am Montag darauf war das Buch Titelgeschichte im Spiegel.
Da schwante mir schon, dass ich es jetzt doch rezensieren muss. Weil es so wichtig genommen wird. Nicht, dass die Spiegel-Crew in der Story und im dazugeschalteteten Interview mit Susan Pinker völlig unkritisch vorgegangen wäre. Das nicht. Aber die Botschaft hat der Spiegel der Autorin abgekauft: Frauen streben nach Glück (und gemeint ist mal wieder ganz banal das Glück in der Familie), Männer nach Geld - das ist eben ihre Biologie.
Eine stock-reaktionäre Botschaft in Zeiten, in denen Frauen die Forderung nach gleicher Entlohnung durchsetzen wollen. Eine Steilvorlage für geizige Chefs: "Was, Sie wollen mehr Gehalt? Aber für Sie als Frau ist Geld doch nicht so wichtig. Sie haben doch ganz andere Werte. Das ist wissenschaftlich bewiesen."
Und wieder einmal schafft es ein schlechtes Buch, Energien abzuziehen von wichtigeren Debatten. Was für ein Frust - statt ein tolles und überzeugendes Buch anpreisen zu dürfen, muss ich mich mit einem Verriss plagen.