Das offizelle Logo zur KampganeFoto: L-mag
VON BRITTA ERLEMANN
Hurra! Es wird fünf! Nein, kein kleines Mädchen ist hier gemeint, sondern das L-mag. Deutschlands derzeit einzigstes bundesweites Magazin für Lesben. Eine fast hundertjährige Tradition lesbischer Zeitschriften fortsetzend, gibt es das Hochglanz-Heft im A4-Format seit geraumer Zeit im Zeitschriftenhandel. Mit einer Mischung aus Politik und Gesellschaft, Kultur, Sport, Szene und Stars, Liebe und Erotik deckt es unterhaltsam bis kritisch und manchmal auch etwas unkritisch lesbische Themen ab. Zum Fünfjährigen startet L-mag die Kampagne „Deutschland wird lesbisch“ und sagt damit lesbischer Unsichtbarkeit und Bedeutungslosigkeit den Kampf an – zusammen mit den Leserinnen. (Mehr im
Heft)Ich bin eine davon. Dass L-mag in dieser Art allein auf weiter Flur ist, spricht für sich. Aber nicht nur in kompletter Zeitschriftengestalt, auch in den konventionellen bis linksalternativen Medien sind Lesbenthemen selten. Seltener als Lesben in der Gesellschaft. Hier die Erfahrung einer lesbischen Kollegin aus dem Journalistinnenbund, die unter anderem hin und wieder versucht, lesbische Themen an zu bieten:
Lesbenthemen gehen sehr schwer finde ich, ich bekomme oft zu hören, die Redaktion hätte schon oft was dazu gemacht. Dann stellt sich heraus, dass das höchstens alle zwei Jahre passierte... Aber es nutzt nichts, darauf hinzuweisen, dass dieses oft sehr relativ ist. Die Selbstherrlichkeit der Redaktionen in diesem Punkt ist grenzenlos.
20 Jahre lesbische Journalistin
Dass sich Medien wie Öffentlichkeitsarbeit und deren Umfelder manchmal oder auch öfter mit lesbischer und schwuler Lebensweise ganz gehörig beißen, habe ich schon früh erfahren müssen:
In der Schülerzeitung unseres Gymnasiums hatten wir einen Artikel eines schwulen Schülers über das Schwulsein veröffentlicht. Die Folge: Der Direktor hielt meiner Mitredakteurin und mir eine Moralpredigt, der Artikel sei jugendgefährdend. „Toll“, dachte ich als Jung-Lesbe damals sarkastisch, „ich bin jugendgefährdend!“ Und er erklärte uns, sollten wir Homosexualität noch mal zum Thema machen, werde er die Zeitung verbieten. Zusammengestaucht und angstvoll, aber auch trotzig verließ ich damals das Rektorzimmer. Das war Ende der 80er Jahre.
Zehn Jahre später regt sich die Chefredaktion einer Zeitung, für die ich als Freie arbeite, auf, weil ich zwei Artikel über die örtliche Lesbenwoche verfasst habe. Einen Veranstaltungsüberblick und ein Porträt über eine polnische Kulturwissenschaftlerin, natürlich lesbisch und als Referentin hier zu Besuch. Beide Texte hatte ich in Absprache mit der Redaktionsleitung produziert. Über so etwas schreibe man in diesem Medium nicht, kommt mir aus der Chefetage zu Ohren. Prompt bekomme ich Angst um meine gerade im Haus laufende Bewerbung für ein Volontariat. Tatsächlich wurde sie dann von der Chefredaktion abgelehnt. Und als ich nachhakte, ob es wegen der Artikel über die Lesbenwoche gewesen sei, die seien abgesegnet gewesen, hieß es: „Das spielt überhaupt keine Rolle, ob die abgesegnet waren!“ Heiß überlief es mich als ich zum Abschied nach diesem Gespräch notgedrungen und widerwillig dem Chefredakteur die Hand gab. So fühlt es sich an, wenn man gedemütigt worden und machtlos ist. Was ich aus seiner Aussage schließe, mag sich die geneigte Leserin/der geneigte Leser denken. Meine freie Mitarbeit bei diesem Medium habe ich dann in Folge schrittweise aufgegeben.
Angekommen im neuen Jahrtausend
2002. Vorstellungsgespräch für eine Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit in einem christlichen Krankenhaus. Ein Pfarrer, Leiter der Klinik, fragt mich, ob ich Lesbe sei (wahrscheinlich, weil in meinem Lebenslauf auch die „Krampfader-FrauenLesbenzeitschrift“ aufgelistet ist). Ich: „Ja, ich lebe so. Haben Sie damit ein Problem?“ Er: Nein, aber er wisse, dass das in seinem Umfeld durchaus auch anders gesehen werde. So werde auch die Homo-Ehe kontrovers diskutiert. „Aber nach dem christlichen Glauben soll doch jeder Mensch so angenommen werden, wie er ist, und also auch Lesben und Schwule“, entgegne ich. – Er gibt mir Recht. Mit gemischten Gefühlen gehe ich aus dem Gespräch: "Welche Hetera hätte dieser Pfarrer wohl jemals in einem Vorstellungsgespräch gefragt, ob sie Hetera ist?", denke ich verärgert. Und selbstbewusst-trotzig bis erleichtert: "Andererseits sind so die Karten auf dem Tisch. Wenn er mich deswegen nicht nimmt, bin ich in dem Krankenhaus verkehrt!" Angst habe ich auch - dass er mich nicht einstellt deswegen. Die Stelle bekomme ich schließlich nicht und auf mein Nachhaken keine klare Antwort. Immerhin wurde mir so klar, dass ich dort nicht gut aufgehoben gewesen wäre.
2008 Eine mir sehr nahe stehende (heterosexuelle) Person hat entdeckt, dass ich als Journalistin in einem lesbischen Online-Branchenbuch eingetragen bin. Klar nach zu lesen, wenn frau/man meinen Namen in die Google eingibt. Sie rät mir, meine Daten dort zu löschen. Das könne mich den einen oder anderen Job kosten. Klar! Das weiß ich. Nicht, dass ich keine Angst davor hätte. Aber ich habe das Versteckspiel und die in Schulzeiten so gut gelernte Rhetorik des Verschweigens satt. Und für homophobe ArbeitgeberInnen mag ich ohnehin nicht tätig werden. Den Stress möchte ich mir nämlich ersparen!
Was all diese Situationen eint? Das Gefühl, mit meinem Lesbischsein nicht wirklich erwünscht und sicher zu sein. Weder privat noch als Journalistin.
Kleiner ExkursFür all jene, die jetzt meinen: „Was müssen die Homos auch immer ihre Sexualität so vor sich hertragen. Das geht doch niemand was an, was die im Bett tun?!“, nur dies: Haben Sie am Arbeitsplatz schon mal Ihren Partner (natürlich anderen Geschlechts) erwähnt? Tragen Sie einen Ehering? Holt Sie Ihr Partner manchmal von der Arbeit ab? Haben Sie schon mal an der Arbeit gegenüber der guten Kollegin erzählt, dass sie gerade verliebt sind und von xy geschwärmt – oder Ihren Trennungsschmerz ausgedrückt? (Vom Küssen und Händchenhalten in der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.) So offen und selbstverständlich möchte ich mit meiner Lebensweise auch umgehen dürfen, und zwar gefahrlos!
Out mit L-mag
Einstweilen erlaube ich mir, in aller Öffentlichkeit L-mag zu lesen, wie neulich im Zug. Was die Dame gegenüber sich gedacht hat – so sie denn einen Blick auf die aufgeschlagene Zeitschrift geworfen hat – weiß ich nicht. Aber eines ist mir klar: Ich oute mich bereits, wenn ich unter den Augen eines Publikums dieses Magazin auch nur lese. Ich bin also damit als Lesbe sichtbar, ganz wie sich die L-mag-Kampagne das wünscht. Und dieses Medium trägt ganz sicher auch dazu bei.